Veröffentlicht am März 15, 2024

Der Kern des Problems in der Modeindustrie ist nicht Nachhaltigkeit, sondern Menschenwürde, die direkt vom Unterschied zwischen einem gesetzlichen Mindestlohn und einem echten Existenzlohn abhängt.

  • Die meisten Fast-Fashion-Arbeiterinnen verdienen nicht genug, um ihre Grundbedürfnisse zu decken, was sie in einem Teufelskreis aus Schulden und Überarbeitung gefangen hält.
  • Transparenz in der Lieferkette ist das einzige wirksame Mittel, um die leeren Versprechen von Marken von echten sozialen Verpflichtungen zu unterscheiden.

Empfehlung: Fordern Sie von Marken aktiv die Offenlegung ihrer Lieferketten und die Zahlung von Existenzlöhnen. Jeder Kauf ist eine Stimme für die Arbeitsbedingungen, die Sie unterstützen möchten.

Ein neues T-Shirt, eine neue Hose. Der Stoff fühlt sich gut an, der Preis war unschlagbar. Doch während wir uns über ein Schnäppchen freuen, bleibt die entscheidende Frage unbeantwortet: Wer hat dieses Kleidungsstück gefertigt und unter welchen Bedingungen? Wir sprechen oft über umweltfreundliche Materialien und Recycling, doch die menschliche Dimension der Modeindustrie – die systematische Ausbeutung von Millionen von Arbeiterinnen und Arbeitern – wird dabei oft zu einer Randnotiz degradiert. Das Versprechen von „bewussten Kollektionen“ und vagen Nachhaltigkeitszielen verschleiert die brutale Realität in den Fabriken.

Die Wahrheit ist, dass ein Großteil der globalen Mode auf einem Fundament aus Armutslöhnen, exzessiven Überstunden und der Unterdrückung von Arbeitsrechten aufgebaut ist. Doch was, wenn der Schlüssel zur Veränderung nicht in noch einer weiteren „grünen“ Faser liegt, sondern in einer einzigen, fundamentalen Forderung: einem Lohn, der nicht nur zum Überleben, sondern zum Leben reicht? Dieser Artikel durchbricht den Lärm des Greenwashings und rückt den Menschen in den Mittelpunkt. Wir werden den entscheidenden Unterschied zwischen Mindest- und Existenzlohn aufdecken, die wahren Kosten eines T-Shirts analysieren und Ihnen konkrete Werkzeuge an die Hand geben, um als Konsument eine Kraft für echte, menschenwürdige Veränderung zu werden.

Um dieses komplexe Thema zu durchdringen, haben wir diesen Artikel strukturiert, um Ihnen einen klaren Einblick in die Mechanismen der Ausbeutung und die Hebel für positive Veränderungen zu geben. Von der Lohnfrage über die Arbeitsbedingungen bis hin zu den Fallstricken des Greenwashings – jede Sektion baut auf der vorherigen auf, um Ihnen ein umfassendes Verständnis zu vermitteln.

Mindestlohn vs. Existenzlohn: Der entscheidende Unterschied, der über ein menschenwürdiges Leben entscheidet

Der Kern der sozialen Ungerechtigkeit in der Modeindustrie lässt sich auf eine fundamentale Unterscheidung reduzieren: die zwischen einem gesetzlichen Mindestlohn und einem echten Existenzlohn. Ein Mindestlohn ist eine von der Regierung festgelegte Lohnuntergrenze, die oft viel zu niedrig ist, um die grundlegendsten Bedürfnisse zu decken. Im Gegensatz dazu ist ein Existenzlohn der Betrag, der notwendig ist, um einer Familie eine angemessene Unterkunft, Ernährung, Bildung, medizinische Versorgung und etwas Geld für unvorhergesehene Ereignisse zu sichern – kurz gesagt, ein Leben in Würde zu führen.

Die Diskrepanz ist dramatisch. In Bangladesch, einem der größten Textilproduzenten der Welt, liegt der Mindestlohn bei etwa 97 € pro Monat. Berechnungen der Asia Floor Wage Alliance zeigen jedoch, dass ein existenzsichernder Lohn dort bei 450 € liegen müsste. Das bedeutet, Arbeiterinnen erhalten nur rund ein Fünftel dessen, was sie für ein menschenwürdiges Leben bräuchten. Diese Differenz von über 350 % ist keine statistische Spitzfindigkeit, sondern der Nährboden für systematische Ausbeutung.

Die Folgen dieser Lohnlücke sind verheerend. Eine Studie über die Situation von Näherinnen zeigt einen Teufelskreis aus Armut: Um über die Runden zu kommen, sind die Frauen gezwungen, exzessive Überstunden zu leisten, sich hoch zu verschulden oder sogar Mahlzeiten auszulassen. Dies sichert nicht nur den Profit der Fast-Fashion-Marken, sondern hält ganze Familien und Gemeinschaften in dauerhafter Abhängigkeit und Armut gefangen. Ein Existenzlohn ist daher keine Wohltätigkeit, sondern ein grundlegendes Menschenrecht.

Hinter verschlossenen Türen: Ein Blick auf die realen Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken

Der Preisdruck der globalen Modemarken diktiert nicht nur die Löhne, sondern auch die alltäglichen Arbeitsbedingungen in den Fabriken. Die Realität hinter den oft polierten Fassaden ist geprägt von exzessiven Arbeitszeiten, mangelnder Sicherheit und einem Klima der Angst. Untersuchungen zeigen, dass für Näherinnen mehr als 60 Stunden pro Woche die Regel sind. Bei großen Aufträgen oder kurzfristigen Designänderungen westlicher Marken können die Arbeitstage auf bis zu 16 Stunden anwachsen – oft ohne entsprechende Vergütung oder ausreichende Pausen.

Diese extreme Arbeitsbelastung hinterlässt tiefe Spuren, sowohl körperlich als auch seelisch. Die monotone, repetitive Arbeit unter permanentem Zeitdruck führt zu chronischen Schmerzen und Erschöpfungszuständen, wie sie die zermürbende Realität vieler Arbeiterinnen widerspiegelt.

Erschöpfte Textilarbeiterin in späten Arbeitsstunden

Darüber hinaus ist die systematische Unterdrückung von Arbeitsrechten an der Tagesordnung. Wer versucht, sich in Gewerkschaften zu organisieren oder für bessere Bedingungen zu kämpfen, riskiert nicht nur seinen Job, sondern seine gesamte Existenzgrundlage. Einschüchterung und Drohungen sind weit verbreitet. Die Stimme derer, die für ihre Rechte eintreten, wird gezielt zum Schweigen gebracht, wie das folgende Zitat einer Arbeiterin aus Bangladesch verdeutlicht:

Alle Gewerkschafterinnen stehen nebst Foto und Identifikationsnummer auf einer schwarzen Liste der Industrie.

– Taslima, Näherin aus Gazipur

Diese „schwarzen Listen“ stellen sicher, dass Aktivistinnen in der gesamten Region keine Anstellung mehr finden. Es ist ein System, das darauf ausgelegt ist, jeglichen Widerstand im Keim zu ersticken und den Status quo der systematischen Ausbeutung aufrechtzuerhalten.

Made in Europe? Warum das Produktionsland allein kein Garant für faire Bedingungen ist

Viele Konsumenten greifen in dem Glauben zu Kleidung mit dem Etikett „Made in Portugal“ oder „Made in Italy“, dass sie damit automatisch faire Arbeitsbedingungen unterstützen. Doch dieser Glaube ist ein gefährlicher Trugschluss. Das Produktionsland allein ist längst kein verlässlicher Indikator für ethische Standards. Auch innerhalb Europas sind Armutslöhne und ausbeuterische Praktiken weit verbreitet, insbesondere in den Ländern Osteuropas, die zu einer Art „verlängerter Werkbank“ für westeuropäische Marken geworden sind.

Eine umfassende Studie zu Zulieferern bekannter deutscher Modemarken in Bulgarien, Kroatien, Serbien und der Ukraine zeichnet ein düsteres Bild. Die dort befragten Beschäftigten erhielten durchweg Löhne, die weit unter der Armutsgrenze lagen und nicht zum Überleben reichten. Mit Nettogehältern, die teilweise bei nur 181 € in der Ukraine lagen, konnten viele Arbeiterinnen gerade einmal die grundlegendsten Haushaltsausgaben für Wasser, Strom und Heizung decken. An Ersparnisse, Bildung für die Kinder oder eine angemessene medizinische Versorgung war nicht zu denken.

Zusätzlich wird das „Made in Europe“-Label oft gezielt zur Täuschung eingesetzt. Eine gängige Praxis ist es, den Großteil eines Produkts – zum Beispiel eines Schuhs – in einem Niedriglohnland wie Albanien oder Rumänien fertigen zu lassen und nur den allerletzten, oft unbedeutenden Produktionsschritt in einem Land wie Italien durchzuführen. Dies rechtfertigt dann legal das prestigeträchtige Etikett. Ein Analyst der Fashion Changers beschreibt dieses Vorgehen treffend:

Das Label ‚Made in Italy‘ anzubringen, obwohl der Großteil der Produktion in Südosteuropa stattfindet – nur die Sohlen werden in Italien angefertigt

– Fashion Changers Analyse

Dies zeigt, dass geografische Herkunftsangaben ohne flankierende, transparente Informationen über die gesamte Lieferkette wertlos sind. Sie dienen oft mehr dem Marketing und der Beruhigung des Gewissens als der tatsächlichen Sicherstellung fairer Arbeitsbedingungen.

Transparenz ist der Schlüssel: Warum Marken, die ihre Lieferketten offenlegen, vertrauenswürdiger sind

Wenn Herkunftsetiketten und blumige Nachhaltigkeitsversprechen versagen, was bleibt dem bewussten Konsumenten dann? Die Antwort ist ein einziges, mächtiges Wort: Transparenz. Echte Transparenz bedeutet, dass eine Marke ihre gesamte Lieferkette offenlegt – von der Baumwollfarm (Tier 3) über die Spinnerei und Färberei (Tier 2) bis hin zur Näherei (Tier 1). Nur wenn ein Unternehmen bereit ist, Ross und Reiter zu nennen, schafft es eine Grundlage für Vertrauen und Rechenschaftspflicht.

Eine transparente Lieferkette ermöglicht es unabhängigen Organisationen, Gewerkschaften und auch Konsumenten, die tatsächlichen Bedingungen vor Ort zu überprüfen. Sie ist die Grundvoraussetzung, um systematischer Ausbeutung entgegenzuwirken. Marken, die ihre Lieferantenlisten als „Geschäftsgeheimnis“ hüten, haben in der Regel etwas zu verbergen. Wahre Nachhaltigkeit braucht kein Versteckspiel. Sie lebt von Offenheit und dem Mut, sich der Überprüfung zu stellen.

Abstrakte Darstellung einer transparenten Lieferkette

Doch wie erkennt man als Verbraucher echte Transparenz? Es geht darum, über die Marketing-Oberfläche hinauszuschauen und kritische Fragen zu stellen. Eine Marke, die es ernst meint, liefert konkrete Daten statt vager Phrasen. Die folgende Checkliste hilft Ihnen dabei, die Spreu vom Weizen zu trennen und die Glaubwürdigkeit von Modemarken zu bewerten.

Ihr Aktionsplan: Echte Transparenz bei Marken überprüfen

  1. Produktionsstätten prüfen: Werden alle Lieferanten der Stufen 1, 2 und 3 namentlich und mit Adresse auf der Webseite genannt?
  2. Berichte einsehen: Veröffentlicht die Marke unabhängige Audit-Ergebnisse und detaillierte Sozialberichte, die über Hochglanzbilder hinausgehen?
  3. Fakten zu Löhnen suchen: Gibt es konkrete, überprüfbare Informationen zu Lohnstrukturen und gezahlten Durchschnittslöhnen im Vergleich zum lokalen Existenzlohn?
  4. Initiativen kontrollieren: Ist die Marke Mitglied bei glaubwürdigen Organisationen wie der Fair Wear Foundation, die externe Kontrollen durchführen?
  5. Fortschritt verfolgen: Kommuniziert die Marke regelmäßig und ehrlich über Fortschritte, aber auch über Herausforderungen und Misserfolge auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit?

Der wahre Preis eines T-Shirts: Eine Aufschlüsselung der Kosten von der Baumwolle bis zum Laden

Eines der hartnäckigsten Argumente der Modeindustrie gegen faire Löhne ist die Behauptung, dass die Preise für die Konsumenten dadurch explodieren würden. Doch ein genauer Blick auf die Kostenwahrheit entlarvt dies als Mythos. Der Anteil der Lohnkosten am Endpreis eines Kleidungsstücks ist verschwindend gering. Die größten Posten sind in der Regel die Gewinnmarge der Marke und die Kosten für den Einzelhandel, wie Marketing und Miete für Ladenflächen in bester Lage.

Berechnungen des Entwicklungsministeriums haben ergeben, dass die Zahlung eines existenzsichernden Lohns an die Näherinnen eine Jeans nur um etwa einen Euro verteuern würde. Ein Euro – für ein Leben in Würde statt in Armut. Diese Zahl zeigt, dass die Entscheidung gegen faire Löhne keine wirtschaftliche Notwendigkeit, sondern eine bewusste unternehmerische Entscheidung für eine maximale Gewinnspanne ist.

Die folgende Tabelle schlüsselt die Kosten für ein typisches T-Shirt auf, das im Laden für 29 € verkauft wird. Sie visualisiert auf dramatische Weise, wie wenig von dem Geld, das wir ausgeben, bei den Menschen ankommt, die unsere Kleidung herstellen. Die Daten basieren auf einer Analyse, die im Rahmen der Debatte um das Lieferkettengesetz durchgeführt wurde.

Kostenaufschlüsselung eines 29€ T-Shirts
Kostenbestandteil Anteil in Euro Prozent
Einzelhandel (Marge, Miete, Personal) 17,00 € 59 %
Markengewinn 3,61 € 12 %
Materialkosten 3,40 € 12 %
Transport und Logistik 2,19 € 8 %
Zwischenhändler (Agenturen) 1,20 € 4 %
Fabrikgewinn 1,15 € 4 %
Arbeiterlohn 0,45 € 1 %

Diese Zahlen sprechen für sich. Weniger als 50 Cent gehen an die Person, die das T-Shirt genäht hat. Der Löwenanteil von fast 60 % verbleibt im Einzelhandel. Es ist diese ungerechte Verteilung, die das System der Ausbeutung am Leben erhält. Faire Mode ist keine Frage der Unbezahlbarkeit, sondern eine Frage der gerechten Verteilung.

Der Siegel-Dschungel: Welchen Nachhaltigkeits-Zertifikaten Sie wirklich vertrauen können

Auf der Suche nach fair produzierter Kleidung stoßen Konsumenten schnell auf eine Vielzahl von Siegeln und Zertifikaten. Doch nicht jedes Label hält, was es verspricht. Einige konzentrieren sich nur auf ökologische Aspekte, während andere die sozialen Bedingungen nur unzureichend abdecken. Um sich in diesem Siegel-Dschungel zurechtzufinden, ist es wichtig, die Kriterien und den Fokus der wichtigsten Zertifikate zu kennen. Ein Siegel ist nur dann aussagekräftig, wenn es strenge, unabhängige Kontrollen entlang der gesamten Lieferkette vorschreibt.

Besonders im Hinblick auf soziale Fairness und existenzsichernde Löhne gibt es erhebliche Unterschiede. Während einige Siegel die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen fordern (z. B. Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit), gehen andere einen entscheidenden Schritt weiter und machen die Zahlung von Existenzlöhnen zu einer verbindlichen Anforderung. Die folgende Tabelle bietet einen vergleichenden Überblick über die glaubwürdigsten Siegel im sozialen und ökologischen Bereich.

Vergleich der wichtigsten Textilsiegel für faire Mode
Siegel Soziale Standards Ökologische Standards Besonderheiten
IVN Best Sehr hoch (inkl. Existenzlohn-Klausel) Höchster Standard (100 % Biofasern) Gilt als das derzeit strengste Siegel auf dem Markt.
GOTS Mittel (ILO-Kernarbeitsnormen) Hoch (min. 70 % Biofasern) Weit verbreitet und eine gute Balance, aber schwächer bei Löhnen.
Fair Wear Foundation Sehr hoch (starker Fokus auf Arbeitsbedingungen) Keine spezifischen Öko-Vorgaben Fokus liegt klar auf den Rechten und Löhnen der Arbeiterinnen.
Fairtrade Textile Sehr hoch (inkl. Existenzlohn-Strategie) Mittel (fokus auf Pestizidreduktion) Deckt die gesamte Lieferkette ab und stärkt die Position der Arbeiter.

Selbst bei den besten Siegeln lohnt sich ein genauer Blick. So betont der Experte Andreas Sittner in einem Siegel-Guide, dass es auf den jeweiligen Fokus ankommt: „Der GOTS-Standard ist stark bei Ökologie und Materialherkunft, seine Anforderungen an existenzsichernde Löhne sind aber schwächer als die der Fair Wear Foundation“. Für Konsumenten bedeutet das: Wer den größten Wert auf soziale Gerechtigkeit legt, sollte gezielt nach Marken suchen, die von der Fair Wear Foundation oder Fairtrade zertifiziert sind.

Die Greenwashing-Falle: 7 Anzeichen, an denen Sie unehrliche Nachhaltigkeits-Versprechen erkennen

Je lauter die Forderung nach fairer und nachhaltiger Mode wird, desto raffinierter werden die Methoden des Greenwashings. Greenwashing bezeichnet die Praxis von Unternehmen, sich durch gezielte Marketing- und PR-Maßnahmen ein umweltfreundliches und sozial verantwortliches Image zu geben, ohne dass es dafür eine ausreichende Grundlage gibt. Es ist eine bewusste Täuschung, die darauf abzielt, das Gewissen der Konsumenten zu beruhigen und den Verkauf anzukurbeln. Doch mit etwas Wissen und einem kritischen Blick lässt sich die Fassade durchschauen.

Unehrliche Nachhaltigkeitsversprechen erkennt man oft nicht an dem, was gesagt wird, sondern an dem, was verschwiegen wird. Konkrete Daten, Fakten und überprüfbare Zertifikate werden durch vage Begriffe, emotionale Bilder und irrelevante Einzelmaßnahmen ersetzt. Eine „Conscious Collection“, die nur 1% des Gesamtsortiments einer Fast-Fashion-Marke ausmacht, ist kein Zeichen für einen Wandel, sondern reine Augenwischerei. Es ist der Versuch, von den restlichen 99 % abzulenken, die weiterhin unter ausbeuterischen Bedingungen produziert werden.

Um nicht in die Greenwashing-Falle zu tappen, sollten Sie auf bestimmte Warnsignale achten. Die folgende Liste fasst die sieben häufigsten Taktiken zusammen, mit denen Unternehmen versuchen, grüner zu erscheinen, als sie sind:

  • Vage Formulierungen: Achten Sie auf Begriffe wie „umweltfreundlich“, „grün“ oder „bewusst“ ohne jegliche konkrete Definition oder nachweisbare Fakten.
  • Irrelevante Wahrheiten: Das Hervorheben einer einzelnen, kleinen positiven Eigenschaft (z. B. „Knöpfe aus recyceltem Material“), während der Rest des Produkts problematisch ist.
  • Fehlende Beweise: Behauptungen, die nicht durch unabhängige Zertifikate (wie GOTS oder Fair Wear) oder öffentlich zugängliche Daten gestützt werden.
  • Selbsterfundene Siegel: Die Verwendung von Fantasie-Logos, die wie offizielle, unabhängige Zertifikate aussehen, aber vom Unternehmen selbst erstellt wurden.
  • Emotionale Bildsprache: Bilder von lachenden Arbeiterinnen oder unberührter Natur, die eine positive Assoziation schaffen sollen, ohne die Realität abzubilden.
  • Fokus auf eine Einzelmaßnahme: Eine Marke bewirbt intensiv ein einziges nachhaltiges Leuchtturmprojekt, während das Kerngeschäft unverändert ausbeuterisch bleibt.
  • Fehlende Transparenz: Die Weigerung, die vollständige Lieferkette offenzulegen, ist das deutlichste Anzeichen dafür, dass es etwas zu verbergen gibt.

Das Wichtigste in Kürze

  • Der entscheidende Hebel für Fairness ist nicht der Mindestlohn, sondern ein echter Existenzlohn, der ein Leben in Würde ermöglicht.
  • Transparenz ist die Währung des Vertrauens: Nur Marken, die ihre Lieferketten vollständig offenlegen, nehmen soziale Verantwortung ernst.
  • Faire Löhne würden ein Kleidungsstück nur minimal verteuern. Die Weigerung, sie zu zahlen, ist eine Entscheidung für Profitmaximierung, keine wirtschaftliche Notwendigkeit.

Bewusster Konsum, besserer Stil: Wie nachhaltige Mode die Zukunft der Garderobe gestaltet

Die Auseinandersetzung mit den Missständen in der Modeindustrie kann überwältigend und entmutigend wirken. Doch aus dieser Erkenntnis erwächst eine enorme Kraft: die Macht des bewussten Konsums. Jeder einzelne Kauf ist eine Abstimmung – ein Signal an die Industrie, welche Art von Mode wir in Zukunft wollen. Indem wir Marken unterstützen, die auf Transparenz, faire Löhne und langlebige Qualität setzen, werden wir vom passiven Konsumenten zum aktiven Gestalter einer gerechteren Modewelt.

Bewusster Konsum bedeutet nicht, von heute auf morgen den perfekten, zu 100 % ethischen Kleiderschrank zu besitzen. Es ist ein Weg, kein Ziel. Es geht darum, weniger, aber dafür besser zu kaufen, Kleidung wertzuschätzen, zu pflegen und zu reparieren. Second-Hand, Kleidertausch und das Wiederentdecken des eigenen Stils jenseits kurzlebiger Trends sind ebenso wichtige Bestandteile dieser Bewegung. Die bekannte Modeaktivistin Madeleine Alizadeh (dariadaria) beschreibt den Druck zur Perfektion treffend:

Wenn ich als Befürworterin fairer Mode einmal ein zehn Jahre altes Paar Turnschuhe einer Fast-Fashion-Marke trage, kritisieren mich viele – obwohl sie selbst nicht komplett ökologisch gekleidet sind.

– Madeleine Alizadeh (dariadaria)

Dieses Zitat verdeutlicht, dass es um Fortschritt, nicht um dogmatische Perfektion geht. Der Wandel beginnt mit dem Hinterfragen. Fragen Sie in Geschäften nach der Herkunft der Kleidung. Schreiben Sie Marken an und fordern Sie die Zahlung von Existenzlöhnen. Sprechen Sie mit Freunden und Familie über dieses Thema. Jede dieser Aktionen erhöht den Druck auf die Industrie und trägt dazu bei, das Bewusstsein zu schärfen. Die Zukunft der Garderobe liegt nicht in immer schnelleren Kollektionen, sondern in einem Stil, der Persönlichkeit, Qualität und Respekt für die Menschen, die unsere Kleidung herstellen, vereint.

Werden Sie Teil der Veränderung. Fragen Sie, fordern Sie, und investieren Sie in Marken, die Menschenwürde über Profit stellen. Ihre Wahl ist eine Stimme, und gemeinsam können wir die Modeindustrie zwingen, zuzuhören. Beginnen Sie noch heute damit, bewusste Entscheidungen zu treffen und für eine Garderobe zu stehen, die nicht nur gut aussieht, sondern sich auch gut anfühlt.

Häufig gestellte Fragen zu fairer Mode und Produktionsbedingungen

Wie kann ich als Einzelperson etwas bewirken?

Jeder Kauf ist eine Abstimmung. Ihre größte Macht liegt darin, wen Sie unterstützen. Fragen Sie aktiv in Geschäften nach fairer Produktion, unterstützen Sie gezielt transparente Marken und – was ebenso wichtig ist – sprechen Sie mit Freunden und in Ihrem Umfeld über das Thema, um das Bewusstsein zu schärfen.

Muss faire Mode immer teuer sein?

Nein, nicht zwangsläufig. Während ein fair produziertes neues Teil aufgrund der gerechten Löhne und hochwertigeren Materialien mehr kostet, sind Second-Hand-Mode, Kleidertausch oder das Reparieren und Umnähen von Kleidung oft deutlich günstiger als der ständige Kauf von Fast Fashion. Zudem hält ein faires T-Shirt oft länger als mehrere Billigshirts, was die Kosten über die Zeit relativiert.

Wie erkenne ich wirklich nachhaltige Marken?

Achten Sie auf eine Kombination aus drei Faktoren: 1. anerkannte, unabhängige Siegel wie GOTS oder die Mitgliedschaft bei der Fair Wear Foundation. 2. Radikale Transparenz, d.h. die Offenlegung der gesamten Lieferkette. 3. Konkrete, messbare Informationen (z.B. zu gezahlten Löhnen) anstelle von vagen Werbeversprechen wie „bewusst“ oder „grün“.

Geschrieben von Jonas Bauer, Jonas Bauer ist ein Berater für nachhaltige Mode, der seit 8 Jahren Marken und Konsumenten über ethische Produktionsketten aufklärt. Seine Expertise liegt in langlebigen Materialien und den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft.